Zwei Versicherungen: Deckungslücke oder Überschneidung?

Wilfried Pecka, 25.05.2015

Von einer im Hochparterre gelegenen Eigentumswohnung führte eine selbst gebaute Holztreppe in den Garten im Innenhof des Hauses. Der Gartenteil war im Wohnungskaufvertrag dem Wohnungsverband zugeordnet. Als die Schwester der Wohnungseigentümerin über diese Holztreppe gehen wollte, brach ein morsch gewordenes Brett ein. Die Schwester stürzte und verletzte sich dabei. 

Die Wohnungseigentümerin meldete den Schaden ihrer Haushaltversicherung, damit diese aus der inkludierten Privathaftpflichtversicherung die Schadenersatzansprüche ihrer verletzten Schwester reguliert. Die Haushaltversicherung lehnte aber ab, weil ihrer Ansicht nach der Vorfall der Grundstückshaftpflichtversicherung zuzuordnen sei. Darauf hin kontaktierte die Wohnungseigentümerin ihre Hausverwaltung, welche eine Schadenmeldung an die bestehende Gebäudeversicherung erstattete. Diese lehnte den Eintritt in den Schadenfall ab, weil er ihrer Ansicht nach von der Haushaltversicherung zu decken sei. Es gab also zwei Versicherungen, die für den Schadenfall in Frage kamen, die aber jeweils auf die andere verwiesen und selbst ihre Eintrittspflicht ablehnten. Darauf hin klagte die Wohnungseigentümerin beide Versicherungen.

In erster Instanz stellte das Gericht die Deckungspflicht der Haushaltversicherung fest. Bei der Erhaltung der selbst gebauten Holztreppe in den Garten handle es sich um eine "Gefahr des täglichen Lebens", die in der Privathaftpflichtversicherung der Haushaltversicherung mitversichert sei. Gegenüber der Gebäudehaftpflichtversicherung wies das Erstgericht die Klage ab: Die Eigentümergemeinschaft sei zur Erhaltung dieser Holztreppe nicht verpflichtet gewesen, deshalb könne keine Schadenersatzverpflichtung der Eigentümergemeinschaft entstehen. Gegen dieses Urteil gingen sowohl die verurteilte Haushaltversicherung als auch die gegen die Gebäudeversicherung unterlegene Wohnungseigentümerin in Berufung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Haushaltversicherung nicht Folge und bestätigte deren Deckungspflicht. Hinsichtlich der Berufung der Wohnungseigentümerin gegen die Gebäudeversicherung änderte das Berufungsgericht das abweisende Urteil ab und stellte auch die Deckungspflicht der Gebäudehaftpflichtversicherung fest. Zum versicherten Risiko gehören auch die Innehabung der versicherten Liegenschaft und der darauf befindlichen Bauwerke. Die Holztreppe sei jedenfalls ein Bestandteil des Gebäudes, ohne näher auf die Frage eingehen zu müssen, unter wessen Verwaltung und Sondernutzung sie steht. Somit waren nach diesem Urteil nun beide Versicherungen deckungspflichtig. Das wollten sich die beiden Versicherungen nicht gefallen lassen, und beide gingen in Revision an der Obersten Gerichtshof.

In seinem Urteil 7Ob88/14p bestätigte der OGH die Deckungspflicht der Haushaltversicherung. Hinsichtlich der Gebäudehaftpflichtversicherung folgt der OGH der Argumentation der ersten Instanz, dass die Eigentümergemeinschaft zur Erhaltung dieser Holztreppe nicht verpflichtet gewesen sei, deshalb könne keine Schadenersatzverpflichtung der Eigentümergemeinschaft entstehen. Hinsichtlich der Gebäudeversicherung stellte der OGH daher das erstinstanzliche Urteil wieder her, und es blieb bei der (alleinigen) Deckungspflicht der Haushaltversicherung.

Auch wenn nun die Antwort auf die Frage feststeht, welche der beiden Versicherungen tatsächlich zu decken hat, war diese Antwort für die Versicherungskundin ziemlich teuer. Sie hatte der Gebäudeversicherung (gegen die sie ja zuletzt nicht durchgedrungen ist) die gesamten Verfahrenskosten in Höhe von 6.085,09 Euro zu ersetzen, und ihr ersetzt in dieser Hinsicht auch niemand die eigenen Anwaltskosten. Nachdem aber zu Beginn der Geschichte genau die Frage im Raum stand, welche der beiden Versicherungen eigentlich überhaupt in den Schaden einzutreten hat, blieb ihr gar nicht anderes übrig, als beide Versicherungen zu klagen. In der Hinsicht ist diese Situation (nämlich dass zwei Versicherungen jeweils auf die andere verweisen) nach wie vor ungelöst. Zur Frage, wie grundsätzlich damit umzugehen ist, wenn zwei Haftpflichtversicherungen jeweils auf die andere zeigen, nahm der OGH zwar in einem eigenen Rechtssatz (RS0129943) Stellung: In diesem Fall hat sich das Gericht bei der Auslegung der Versicherungsbedingungen zwar darum zu bemühen, dass die Deckungen nahtlos ineinander greifen (braucht aber nicht zu verhindern, dass auch Überschneidungen oder Deckungslücken entstehen könnten). Trotzdem werden sich Gerichte auch in Zukunft in solchen Fällen mit den Bedingungen beider Versicherungen beschäftigen müssen.  

 © Wilfried Pecka