EuGH: Sonderurlaube und Gehaltsprämien für Eheschließungen stehen auch gleichgeschlechtlichen Paaren zu

Wilfried Pecka, 10.01.2014

Zur gleichgeschlechtlichen Ehe gibt es in Europa keine einheitliche Gesetzgebung. In einigen Ländern (etwa Spanien, Schweden oder Norwegen) ist eine vollwertige gleichgeschlechtliche Ehe möglich. In den anderen Ländern gibt es Konstrukte, die die Rechtsfolgen einer Ehe mehr oder weniger abbilden. Homosexuelle Franzosen konnten etwa seit dem Jahr  1999 einen "zivilen Solidaritätspakt" ((pacte civil de solidarité oder kurz "PACS") abschließen, bis dann im vorigen Jahr unter großen Protesten auch in Frankreich die Homo-Ehe eingeführt wurde.

In vielen Kollektivverträgen ist geregelt, dass Arbeitnehmer im Fall einer Eheschließung ein Recht auf einen Sonderurlaub haben, und teilweise wird auch eine Eheschließungsprämie gewährt. In Frankreich wurde schon vor mehreren Jahren der Kollektivvertrag (Anm: in Frankreich ist das der "Tarifvertrag") einer großen Bank hinsichtlich des Sonderurlaubs und der Eheschließungsprämie um die Fälle erweitert, in denen homosexuelle Arbeitnehmer einen derartigen "PACS" abgeschlossen hatten. Allerdings implizierte diese Erweiterung keine Rückwirkung. Ein homosexueller Arbeitnehmer dieser französischen Bank hatte schon vor dieser tarifvertraglichen Erweiterung einen derartigen PACS mit seinem Lebensgefährten abgeschlossen, und wollte dafür den Sonderurlaub und die Gehaltsprämie in Anspruch nehmen. Das wurde ihm aber mit der Begründung verweigert, dass derartige Vergünstigungen im Zeitpunkt des Abschlusses seines PACS nur für den Fall einer Eheschließung gewährt wurden (und die danach erfolgte Erweiterung des Tarifvertrags keine Rückwirkung hatte). Der Betroffene wollte das so nicht hinnehmen und klagte bei einem französischen Arbeitsgericht auf Bezahlung der Eheschließungsprämie und einer Entschädigung für den nicht gewährten Sonderurlaub. Das Gericht wies sein Begehren ab: Der französische Code Civil unterscheidet zwischen der Ehe und dem PACS. Zwar wurde durch die spätere Änderung des Tarifvertrags der Anspruch auch auf die Fälle eines PACS erweitert. Allerdings gelte diese Erweiterung nicht rückwirkend, und der Kläger hat den PACS mit seinem Lebensgefährten bereits vor dieser Erweiterung abgeschlossen. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Der Betroffene legte gegen dieses Urteil Rechtsmittel beim Kassationsgericht ein. Als Begründung führte er aus, dass die Weigerung seines Arbeitgebers auf Gewährung des Sonderurlaubs und Ausbezahlung der Eheschließungsprämie eine Diskriminierung aufgrund seiner sexuellen Ausrichtung sei, und er verwies dazu auf die Europäische "Beschäftigungsrahmenrichtlinie" (2000/78/EG) und die Europäische Menschenrechtskonvention. Das Kassationsgericht hatte daraufhin das Verfahren unterbrochen und dem Europäischen Gerichtshof im Rahmen einer Vorabentscheidung die Frage vorgelegt, ob ein Tarifvertrag, welcher eine Vergünstigung nur einer herkömmlichen heterosexuellen Ehe vorbehält und gleichgeschlechtliche Partner (welche nur einen PACS abschließen können) davon ausschließt, dem Unionsrecht widerspricht, und aus diesem Grund eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung vorliegt

Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung C-267/12 die Eheschließungsprämie dem weit auszulegenden Begriff des "Arbeitsentgeltes" unterstellt, somit sei die Beschäftigungsrahmenrichtlinie auf diesen Fall anwendbar. Es komme auch nicht darauf an, ob die eingetragene Lebenspartnerschaft der Eheschließung völlig gleichgestellt ist. Gerade weil Homosexuellen die Eheschließung nicht möglich ist, bleibt ihnen ja nur als einziger Ausweg der Abschluss einer solchen Lebenspartnerschaft. Ein Anspruch auf Vergünstigungen, welcher nur verheirateten (heterosexuellen) Paaren zusteht, nicht aber homosexuellen Paaren, die eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen, stellt somit eine unmittelbare Diskriminierung auf Grund der sexuellen Ausrichtung dar. Sofern eine nationale Regelung gleichgeschlechtliche Paaren die Eheschließung nicht gestattet, befindet sich "der betroffene Arbeitnehmer [...] unter Berücksichtigung des Zwecks und der Voraussetzungen der Gewährung dieser Vergünstigungen in einer Situation [...], die mit der eines Arbeitnehmers, der eine Ehe schließt, vergleichbar ist".

Fazit: Auch wenn mittlerweile Kollektivverträge in Gleichbehandlungsklauseln ab einem bestimmten Stichtag auch den eingetragenen Partnerschaften nach EPG Rechnung tragen, besteht immer noch das Problem der Rückwirkung - auf das der EuGH nun eine klare Antwort gegeben hat. Daneben stellen aber auch sehr viele Betriebsvereinbarungen auf den Tatbestand einer "Eheschließung" ab, für welche Arbeitnehmern gewisse Zuwendungen zustehen. Diese werden noch auf derartige Passagen zu durchforsten und entsprechend zu erweitern sein.

 © Wilfried Pecka