Haftung eines Reiseveranstalters auch kraft Anscheins

Wilfried Pecka, 07.04.2015

"Ein Reisebüro ist Veranstalter, wenn es das Reiseprogramm zusammenstellt, die Erbringung der nötigen Leistungen entweder als Eigenleistung oder als Fremdleistung (Erbringung der Leistung durch einen sogenannten Leistungsträger) zusagt und die so angebotene Reise zum Kaufe (zur Buchung) anbietet. Ein Reisebüro ist Vermittler, wenn es sich lediglich verpflichtet, einen Anspruch auf Leistungen anderer zu besorgen, die ihre Leistung nicht in seinem Namen (nämlich als sogenannte Fremdleistungen) erbringen" (OGH, RS0021651). Um diesen Unterschied drehte es sich im folgenden Rechtsstreit:

Ein Ehepaar buchte eine Reise in die Dominikanische Republik. In den Allgemeinen Reisebedingungen des Veranstalters befand sind der Satz "Für die von uns angebotenen Fremdleistungen (z.B. Ausflüge am Urlaubsort) haften wir nur als Vermittler im Umfange des Teils A der ARB 1992". Vor Ort stand eine Reisebetreuerin des Veranstalters als Ansprechpartnerin zur Verfügung, bei der man unter Anderem Ausflüge buchen konnte. Das im Hotel aufliegende Ausflugswochenprogramm war mit den Logos des Veranstalters versehen, und es wurde darauf hingewiesen, dass ein ortsansässiges Unternehmen die Verantwortung für Organisation und Durchführung der Ausflüge trägt. Die beiden Urlauber buchten aus diesem Wochenprogramm bei der Reisebetreuerin einen Bootsausflug. Das Boot legte an einem Strand an, wo das Aussteigen schwierig war, es gab am Boot keine Griffe oder Handläufe. Während die Ehefrau aussteigen wollte, wurde das Boot von einer Welle erfasst. Die Begleiter waren zu weit weg, um Eingreifen zu können, die Frau kam zu Sturz und erlitt einen Knorpelbruch im Kniegelenk. Danach folgte eine weitere unglückliche Verkettung: Der Knorpel heilte nicht, und es musste ihr ein künstliches Kniegelenk eingesetzt werden, welches sich zwei Jahre danach lockerte und erneut getauscht werden musste. Ihr Arbeitgeber kündigte sie wegen ihres langen Krankenstandes, weshalb sie nun eine geringer entlohnte Tätigkeit ausübt. Die Verletzte klagte den Reiseveranstalter auf Schadenersatz, und sie bekam in der ersten beiden Instanzen Recht. Dagegen richtete sich eine außerordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof (OGH).

Der OGH bestätigte in seinem Urteil 6 Ob 22/14z die Rechtsansicht des Berufungsgerichts. "Ob jemand als Reiseveranstalter oder Reisevermittler abschließt, bestimmt sich [...] grundsätzlich danach, wie er gegenüber dem Reisenden aus dessen Sicht auftritt, ob er erklärt, die Reiseleistung in eigener Verantwortung zu erbringen oder sie bloß zu vermitteln. Es kommt darauf an, wie der Reisende als redlicher Erklärungsempfänger die Erklärungen zB eines Reisebüroinhabers (oder seiner Vertreter) verstehen konnte". Wenn ein Reiseveranstalter nur als Vermittler auftritt, hat er darauf deutlich hinzuweisen. Im konkreten Fall war dieser Hinweis aber nicht deutlich genug. Der Reiseunternehmer haftet daher mangels ausreichender Offenlegung als "Reiseveranstalter kraft Anscheins". Auch wenn eine Zusatzleistung am Urlaubsort gebucht wird, kommt es auf die konkreten Umstände an, ob ein solcher Anschein geschaffen wird. Im Ausflugs-Wochenprogramm war deutlich der Logo des Reiseunternehmers erkennbar, von der Mitarbeiterin des Reiseunternehmers wurde dafür geworben, und sie nahm auch die Buchungen entgegen. Der klein gedruckte Hinweis am Ende des Werbezettels, dass ein ortsansässiges Unternehmen die Verantwortung für Organisation und Durchführung übernimmt, war zur Entkräftung des durch die Aufmachung des Werbezettels geschaffenen Anscheins nicht deutlich genug.  

 © Wilfried Pecka