OGH: Aus für Zahlscheingebühren

Wilfried Pecka, 17.07.2014

Seit Ende 2009 sollte durch das Inkrafttreten des Zahlungsdienstegesetzes bei Zahlscheingebühren eigentlich Klarheit bestehen: "Die Erhebung von Entgelten durch den Zahlungsempfänger im Falle der Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstrumentes ist unzulässig“, und "Der Zahlungsdienstleister darf dem Zahlungsempfänger nicht verwehren, dem Zahler für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments eine Ermäßigung anzubieten". Dennoch wurden weiterhin Zahlscheingebühren eingehoben, was mit vermeintlichen Lücken und Schlupflöchern im Gesetz zu begründen versucht wurde. Insbesondere Telefonanbieter und Versicherungen wollten diese zusätzliche Einnahmequelle nicht kampflos aufgeben: Sie seien keine "Zahlungsempfänger" im Sinn des neuen Gesetzes, der Zahlschein sei kein "Zahlungsinstrument", und Versicherungen argumentierten auch mit § 41b VersVG, der eine Abgeltung von Mehraufwendungen zulässt, wenn sie durch den Kunden veranlasst wurden. 

Seitdem wurden zu diesem Thema viele Prozesse geführt, um alle offenen Fragen zu beantworten. Es wurde auch der Europäische Gerichtshof beschäftigt, weil bei all den offenen Fragen auch die EU-Zahlungsdiensterichtlinie 2007/64/EG auszulegen war, zu deren Umsetzung das Zahlungsdienstegesetz in Österreich in Kraft getreten ist. Nunmehr hat der OGH in seinem letzten Urteil 10 Ob 27/14i sowohl bei Telefonbetreibern als auch bei Versicherungen für Klarheit gesorgt: Die Einhebung von zusätzlichen Entgelten für die Bezahlung von Rechnungen mittels Zahlschein oder Onlinebanking ist rechtswidrig.

Begonnen hat das Verfahren bereits vor mehreren Jahren, nachdem der Verein für Konsumenteninformation (VKI) einen Telefonanbieter aufforderte, zu einer Klausel in seinen Geschäftsbedingungen eine Unterlassungserklärung abzugeben. Diese Klausel besagte, dass der Kunde zusätzlich 3,00 Euro zu bezahlen habe, wenn er seine Rechnungen nicht mit Bankeinzug oder Kreditkarte bezahlt. Der Telefonanbieter kam der Aufforderung nicht nach, der VKI klagte auf Unterlassung. In dem darauf folgenden Rechtsstreit tauchten viele Gegenargumente und Fragen auf: Das beklagte Telefonunternehmen sei kein Zahlungsdienstleister, und ein Zahlschein sei auch gar kein Zahlungsinstrument. Weiters sei das Zahlscheinverbot verfassungswidrig, weil es die unternehmerische Privatautonomie beeinträchtige, und außerdem sei ein Zahlscheinverbot ungerecht und daher gleichheitswidrig, weil für Versicherungen gemäß § 41b VersVG Zahlscheingebühren ausdrücklich erlaubt seien. Außerdem erwähne die EU-Zahlungsdienste-Richtlinie 2007/64/EG, dass effiziente Zahlungsinstrumente gefördert werden dürfen, ohne dadurch die Förderung des Wettbewerbs zu beeinträchtigen. Der OGH legte daher dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) drei Fragen zu Vorabentscheidung vor, welche der EuGH am 9. 4. 2014 zu C-616/11 folgendermaßen beantwortet hat: Die EU-Zahlungsdienste-Richtlinie findet auf das Vertragsverhältnis zwischen einem Mobilfunkbetreiber und seinen Kunden Anwendung. Sowohl Zahlscheine als auch Überweisungen im Onlinebanking sind Zahlungsinstrumente. Und es steht den EU-Mitgliedsstaaten die Befugnis zu, Zahlungsempfänger die Einhebung von Entgelten für die Verwendung bestimmter Zahlungsinstrumente generell zu untersagen, "sofern die nationale Regelung insgesamt der Notwendigkeit Rechnung trägt, den Wettbewerb und die Nutzung effizienter Zahlungsinstrumente zu fördern, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist"

Diese vom EuGH angesprochene nationale Regelung ist im konkreten Fall § 27 Abs 6 ZaDiG, welcher zwar die Einhebung von zusätzlichen Entgelten für die Verwendung eines bestimmten Zahlungsinstrumentes untersagt, aber gleichzeitig gestattet, dem Zahler für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments eine Ermäßigung anzubieten. Das mag zwar auf den ersten Blick so aussehen, als ob es ohnehin das Selbe wäre. Auf den zweiten Blick ist es das aber nicht: Als Zahlscheingebühr verschwindet das Entgelt in den Nebenkosten und wird dadurch der nötigen Transparenz entzogen, die der Kunde für Preis- und Kostenvergleiche benötigt. Erhöht man jedoch den Preis für die Hauptleistung (von der dann Rabatte gegeben werden dürfen, wenn mit Einziehungsauftrag bezahlt wird), so unterliegt dieser Gesamtpreis auch dem Wettbewerbsdruck, in dem die verschiedenen Anbieter zueinander stehen. Außerdem bedeutet die Erlaubnis, effiziente Zahlungsinstrumente zu fördern, nicht unbedingt, dass der Vorteil aus dieser Effizienz ausschließlich beim Unternehmer zu liegen hat. Ein Kunde könnte etwa den durchaus berechtigten Wunsch haben, eine Rechnung vor ihrer Zahlung zu überprüfen, anstelle dem Rechnungsempfänger einen schwerer kontrollierbaren Zugriff auf sein Konto einzuräumen. 

Der Einwand des Telefonanbieters, dass doch auch Versicherungen auf Grund einer Sonderregelung (§41b VersVG) Zahlscheingebühren einheben dürfen, und das daher den Telefonanbietern gegenüber gleichheitswidrig sei, ging in die andere als die beabsichtigte Richtung los: Dadurch beschäftigte sich der OGH auch mit dieser Frage und stellte dazu in einem "obiter dictum" (einer Äußerung des Gerichts, die zwar für den konkreten Rechtsfall keine unmittelbare Bedeutung hat, aber trotzdem für spätere ähnlich gelagerte Verfahren bereits eine Rechtsmeinung zum Ausdruck bringt) folgendes klar: § 41b VersVG wurde durch den später erlassenen § 27 Abs 6 ZaDiG verdrängt ("derogiert"). Somit bestehen bei Zahlungen an Versicherungen in dieser Hinsicht keine Besonderheiten. Außerdem hat der Gesetzgeber "mit 1. 1. 2013 auch in § 41b VersVG klargestellt ist, dass das Verbot des § 27 Abs 6 ZaDiG auch im Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer zur Anwendung gelangt". Somit hat daher der OGH mit diesem Urteil im selben Aufwaschen auch gleich die Rechtslage zu den Zahlscheingebühren für die Versicherungswirtschaft geklärt. 

 © Wilfried Pecka