Zustimmung des Betriebsrates zu einer Kündigung: Kaum Möglichkeiten einer gerichtlichen Überprüfung

Wilfried Pecka, 03.08.2013

Ein beim Betriebsrat eines Unternehmens unbeliebter "Director Human Resources" wurde gekündigt. Vorher hatte der Gekündigte in seiner Funktion verschiedene Maßnahmen gesetzt, mit denen der Betriebsrat überhaupt nicht einverstanden war, und er hatte auch dem Betriebsrat gegenüber immer wieder unfreundliche Äußerungen getätigt. Nun schlug die Stunde des Betriebsrates: Sofern es sich nicht um einen "leitenden Angestellten" im Sinn des § 36 Abs 2 Z 3 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) handelt (was im konkreten Fall verneint wurde), ist zu einer beabsichtigten Kündigung vor deren Ausspruch eine Stellungnahme des Betriebsrates einzuholen. Diese Stellungnahme kann entweder "der Betriebsrat erhebt gegen die Kündigung ausdrücklich Widerspruch", oder "der Betriebsrat gibt keine Stellungnahme ab", oder "der Betriebsrat stimmt der Kündigung ausdrücklich zu" lauten. Je nach Stellungnahme des Betriebsrates werden im Fall des danach folgenden Ausspruchs der Kündigung die Rechte des Gekündigten beeinflusst. 

Im Fall des unliebsamen Director Human Resources hatte der Betriebsrat der Kündigung ausdrücklich zugestimmt. Eine solche ausdrückliche Zustimmung bringt mit sich, dass der danach gekündigte Mitarbeiter seine Kündigung nicht mehr wegen Sozialwidrigkeit anfechten kann ("Sperrrecht" des Betriebsrates). Der gekündigte Director Human Resources klagte, indem er einerseits eine Anfechtung seiner Kündigung wegen Sozialwidrigkeit begehrte. In eventu klagte er andererseits auf Feststellung der Nichtigkeit seiner Kündigung wegen Sittenwidrigkeit. Die ausdrückliche Zustimmung des Betriebsrates zu seiner Kündigung sei lediglich ein Racheakt gewesen, und der Betriebsrat habe seiner Beschlussfassung keine adäquate Interessenabwägung zu Grunde gelegt. 

Das Gericht entschied vorerst in einem Teilurteil über die Kündigungsanfechtung, und gab dieser nicht statt (hinsichtlich der Klage auf Nichtigkeit der Kündigung behielt sich das Gericht seine Entscheidung für einen späteren Zeitpunkt vor): Grund für die Zustimmung des Betriebsrates sei zwar gewesen, dass der Betriebsrat mit der vorherigen Tätigkeit des Klägers unzufrieden war, und sich sowohl für von ihm früher getroffene Entscheidungen als auch für verschiedene von ihm getätigte Äußerungen an ihm rächen wollte. Mit seiner ausdrücklichen Zustimmung habe der Betriebsrat bezweckt, dass der Kläger die Kündigung nicht mehr wegen Sozialwidrigkeit anfechten kann. Dennoch führt eine ausdrückliche Zustimmung des Betriebsrates zu einer beabsichtigten Kündigung dazu, dass eine Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit rechtlich nicht mehr möglich ist. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, weil die Zustimmung des Betriebsrates trotz des Rachemotivs des Betriebsrates nicht gänzlich unsachlich gewesen sei. Dagegen legte der Gekündigte Revision an den OGH ein.

Der Oberste Gerichtshof wies die Revision mit seiner Entscheidung 9 ObA 38/13y zurück. Grundsätzlich könnte ein Zustimmungsbeschluss des Betriebsrates zu einer beabsichtigten Kündigung wegen "Kollusion" (sittenwidriges Zusammenspiel des Betriebsinhabers mit dem Betriebsrat in Schädigungsabsicht) rechtsunwirksam sein. Eine solche liege aber im gegenständlichen Verfahren nicht vor. Auch sei es grundsätzlich nicht Aufgabe des Betriebsinhabers, zu Erklärungen des Betriebsratsvorsitzenden Untersuchungen anzustellen, ob die interne Willensbildung innerhalb des Betriebsrates (Beschlussfassung) korrekt abgelaufen ist. Eine solche Verpflichtung bestünde nur dann, wenn dem Betriebsinhaber bekannt ist (oder bekannt sein musste), dass der Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden kein Betriebsratsbeschluss zu Grunde liegt. Der Umstand allein, dass sich der Betriebsrat am früheren Verhalten des Gekündigten und dessen Äußerungen rächen wollte, begründet noch keine rechtsmissbräuchliche Ausübung der Befugnisse des Betriebsrates: Neben den Racheintentionen war der Zustimmungsbeschluss nicht gänzlich unsachlich. Dadurch ist aber eine gerichtliche Überprüfung der Willensbildung des Betriebsrates ausgeschlossen, ob er tatsächlich eine adäquate Interessenabwägung vorgenommen hatte. 

In einem früheren ähnlich gelagerten Verfahren begehrte der Kläger die Unwirksamerklärung der Kündigung sowie die Feststellung, dass die Zustimmung des Betriebsrates zur beabsichtigten Kündigung unwirksam (in eventu nichtig) sei. Das Feststellungsbegehren wurde von den Vorinstanzen allerdings abgewiesen. Dazu entschied der OGH in 8 ObA 58/07y, dass die Frage der Wirksamkeit einer Zustimmungserklärung des Betriebsrates zu einer beabsichtigten Kündigung lediglich eine Vorfrage im Kündigungsanfechtungsverfahren sei. "Das Berufungsgericht hat nämlich ohnehin darauf hingewiesen, dass das Vorbringen des Anfechtenden, der Betriebsrat habe in sittenwidriger Weise mit dem Dienstgeber zusammengewirkt um - in Schädigungsabsicht - dem Dienstnehmer eine Anfechtungsmöglichkeit abzuschneiden, grundsätzlich durchaus beachtlich sei. Stellt sich nämlich die behauptete „Kollusion" zwischen Betriebsrat und Dienstgeber heraus, läge kein rechtswirksamer Zustimmungsbeschluss des Betriebsrats vor". Rechtshandlungen (wie etwa die Zustimmung des Betriebsrates zu einer beabsichtigten Kündigung) können aber "nicht erfolgreich zum Gegenstand einer Feststellungsklage iSd § 228 ZPO gemacht werden können (1 Ob 1615/95)"


Prinzipiell folgt daraus, dass der Betriebsrat (und auch der Betriebsratsvorsitzende) im innerbetrieblichen Verfahren zu einer beabsichtigten Kündigung gemäß § 105 ArbVG eine enorme Macht hat, indem seine Stellungnahme die Rechte des Gekündigten gestaltet:


- Kündigt der Arbeitgeber vor der Abgabe der Stellungnahme des Betriebsrates bzw. vor dem Ablauf der einwöchigen Stellungnahmefrist, so ist die Kündigung bereits allein aus diesem Grund rechtsunwirksam. Bei einem ausdrücklichen Widerspruch gegen die beabsichtigte Kündigung eröffnet der Betriebsrat dem Gekündigten erweiterte Rechte, indem er ihm zusätzlich zu seinen Anfechtungsgründen auch den "Sozialvergleich" eröffnet: Die Kündigung wäre "sozial ungerechtfertigt, wenn ein Vergleich sozialer Gesichtspunkte für den Gekündigten eine größere soziale Härte als für andere Arbeitnehmer des gleichen Betriebes und derselben Tätigkeitssparte, deren Arbeit der Gekündigte zu leisten fähig und willens ist, ergibt" (§ 105 Abs 3c ArbVG). Stimmt der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung ausdrücklich zu, so entzieht er dem Gekündigten damit den Anfechtungsgrund der allgemeinen sozialen Härte (§ 105 Abs 6 ArbVG). 

- Die Beschlussfassung des Betriebsrates hinsichtlich seiner Stellungnahme zu einer beabsichtigen Kündigung kann nicht Gegenstand eines gerichtlichen Feststellungsverfahrens sein, ob der der Betriebsrat damit etwa rechtsmissbräuchlich vorgegangen ist, oder ob der Betriebsrat dabei eine unadäquate Interessenabwägung vorgenommen hat. 

- Der Beschluss des Betriebsrates hinsichtlich seiner Stellungnahme zu einer beabsichtigen Kündigung wird in völliger Autonomie (und der dem Betriebsrat zustehenden Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit) gefasst. Eine richterliche Überprüfung der Willensbildung des Betriebsrates als Organ der Betriebsverfassung ist grundsätzlich ausgeschlossen. Nur wenn der Betriebsrat seinen Beschluss rechtsmissbräuchlich und in Schädigungsabsicht gefasst hat, wäre ein solches Vorgehen für das Gericht im Rahmen des Kündigungsanfechtungsverfahrens beachtlich.

- Teilt der Betriebsratsvorsitzende dem Arbeitgeber die Stellungnahme des Betriebsrates zu einer beabsichtigen Kündigung mit, ohne dass vorher betriebsratsintern ein korrekter Beschluss gefasst wurde, so ist diese Mitteilung trotzdem rechtlich bindend. "Der Arbeitgeber ist weder berechtigt noch verpflichtet, Untersuchungen über die innere Willensbildung des Betriebsrats anzustellen, wenn ihm nicht bekannt war oder hätte sein müssen, dass die Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden beschlussmäßig nicht gedeckt war (RIS-Justiz RS0051490)" (OGH, 9 ObA 38/13y). 

 © Wilfried Pecka