Unfallversicherung: Notlandung nach Gleitschirmflug

Wilfried Pecka, 31.10.2016

Während eines Gleitschirmfluges geriet der Gleitschirmpilot in Turbulenzen, verlor an Höhe und entschloss sich zu einer Notlandung. Da weit und breit kein freies Feld zu sehen war, entschied er sich, auf dem Wipfel einer ca. 40 Meter hohen Tanne zu landen. Dort angelangt stellte er fest, dass er unverletzt war, fischte sein Handy aus der Tasche und rief zuerst seine Frau und danach den Rettungsdienst an. Allerdings befürchtete er, dass der Rettungsdienst mit dem Hubschrauber kommt, dessen Luftwirbel seinen in der Tanne hängenden Gleitschirm herausreißen und beschädigen könnte. Deshalb lehnte er die Hubschrauberrettung ab und entschloss sich, selbst an der Tanne nach unten zu klettern. Vorher brachte er noch seinen Gleitschirm in Sicherheit und verstaute diesen in seinem Rucksack, danach begann er mit dem Abstieg. Das ging bis etwa die letzten fünf Meter über dem Boden gut, darunter hatte die Tanne aber keine Äste mehr. Er warf den Rucksack mit dem Gleitschirm ab und rutschte am Stamm der Tanne entlang die letzten fünf Meter zu Boden. Dort kam er unsanft auf und verletzte sich schwer am rechten Fuß, was Dauerfolgen nach sich zog.

Da der Gleitschirmpilot eine private Unfallversicherung abgeschlossen hatte, meldete er dieser den Vorfall und verlangte auf Grund der bleibenden Folgen eine Entschädigung von etwa 24.000 Euro. Die Unfallversicherung lehnte auf Grund des "Flugrisikoausschlusses" ab: Im Zeitpunkt des Unfalles sei er "Luftfahrzeugführer" im Sinn der Versicherungsbedingungen gewesen, und als solche habe er keinen Versicherungsschutz. Der Gleitschirmpilot sah das anders: "Luftfahrzeugführer" sei er nur bis zur Notlandung auf dem Baumwipfel gewesen. Spätestens nach der Bergung seines Gleitschirms (den er in seinem Rucksack verstaute) sei er nur mehr "Baumkletterer" gewesen, und als solchen würde ihn kein Risikoausschluss treffen. Die Sache ging zu Gericht.

Das Erstgericht folgte der Ansicht der Versicherung und wies das Klagebegehren ab. Der Kläger sei als Gleitschirmpilot in die missliche Situation auf der Tanne gelangt, daher sei der Abstieg von der Tanne in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem vorangegangenen Flug zu sehen. Außerdem sei ihm durch sein Ablehnen der Hubschrauberrettung auch eine Verletzung der Schadenminderungspflicht anzulasten, weil dadurch der Unfall beim Abstieg von der Tanne abgewendet worden wäre. Das Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil: Die besondere Gefahr als Luftfahrzeugführer setze sich auch nach einer Notlandung fort und wäre erst nach dem Erreichen von "festem Boden" zu Ende. 

Der OGH entschied in seinem Urteil 7 Ob 120/16x nach folgenden Erwägungen: Während des Gleitschirmfluges war der Kläger eindeutig Luftfahrzeugführer im Sinn der Versicherungsbedingungen. Luftfahrzeugführer ist man vom Start bis zur Landung. Zur Landung gehört auch das Verlassen des Luftfahrzeugs, weil auch damit noch spezifische Gefahren verbunden sein können: "Der Flug und damit die Funktion eines Luftfahrzeugführers kann erst dann als beendet angesehen werden, wenn das Luftfahrzeug so verlassen worden ist, dass auch die unmittelbar mit dem Luftverkehr verbundenen Gefahren beendet sind". Das sei aber erst dann der Fall, nachdem tatsächlich "fester Boden" erreicht wurde. Das Argument des Klägers, er sei nach seiner Notlandung auf dem Tannenwipfel nur mehr "Baumkletterer" gewesen, ließ der OGH nicht gelten: "Bei verständiger Betrachtung ergibt sich vielmehr, dass der Kläger ohne die flugbedingte Notlandung weder den Baumwipfel erreicht hätte noch in die Verlegenheit gekommen wäre, einen ca 5 m langen Abstieg (ein Abrutschen) über einen dort astlosen Baumstamm zu wagen". Der Kläger hat somit in allen drei Instanzen verloren, und die Versicherung muss nicht zahlen. 

 © Wilfried Pecka