Landwirtschaftsversicherung: Nutzungszweck eines mitversicherten Wohngebäudes

Wilfried Pecka, 05.05.2016

Die Eigentümer einer landwirtschaftlich genutzten Liegenschaft schlossen eine "Landwirtschaftsversicherung" ab, in der alle Wohn- und landwirtschaftlich genutzten Gebäude versichert waren. Versichert war auch das landwirtschaftliche Inventar und die Erntefrüchte, und die Einrichtungen von 5 Fremdenzimmern unter der Voraussetzung, dass für die Fremdenbeherbergung keine Gewerbeberechtigung erforderlich war. Wie die Versicherung abgeschlossen wurde, hatten die Eigentümer auf der Liegenschaft bereits ein neues Bauernhaus errichtet, in dem sie wohnten. Das alte Bauernhaus hätte ursprünglich per Bescheid der Baubehörde abgetragen werden sollen. Auf Grund einer Einzelbewilligung hatte die Behörde dann aber einer Nutzungsänderung auf ein Objekt für Gästevermietung zugestimmt. Zwei Räume wurden noch landwirtschaftlich genutzt. Der Rest des Gebäudes hatte 10 Zimmer mit insgesamt 22 Betten und wurde an Feriengäste als Selbstversorger vermietet. Diese Gebäude wurde später durch einen Brand völlig zerstört. Der Schaden betrug inklusive Aufräumkosten, Inventar und Geräten 790.000 Euro. Die Versicherung zahlte nicht, die Eigentümer klagten.

Im Verfahren erster Instanz ging es unter Anderem um die Fragen, ob der Versicherungsschutz sämtliche Gebäude auf dem Grundstück umfasst, ohne dass es auf dessen Nutzung ankommt. Aufgeworfen wurde auch die Frage, ob die Vermietung eines Selbstversorgerhauses an Urlaubergruppen noch eine Tätigkeit im Rahmen einer Landwirtschaft darstellt. Das Erstgericht kam zum Schluss, dass die Vermietung von 22 Fremdenbetten keine landwirtschaftliche Tätigkeit mehr sei, es bei einer landwirtschaftlichen Versicherung auf die landwirtschaftliche Nutzung ankommt, und wies die Klage vollständig ab.

Das Berufungsgericht war anderer Ansicht. Nach der Versicherungspolizze waren "alle Wohn- und landwirtschaftlich genutzten Gebäude" versichert. Das Ferienhaus war aber ein Wohngebäude, und außerdem war es zu einem geringen Anteil auch landwirtschaftlich genutzt. Allerdings hatten die Kläger derzeit auf Grund einer "Wiederherstellungsklausel" nur einen Anspruch auf den Zeitwert. Die Differenz auf den Neuwert wird erst nach erfolgter Wiederherstellung des Gebäudes fällig. Somit sprach das Berufungsgericht den Klägern einen verringerten Betrag (nämlich den Zeitwert) zu. 

Der Fall ging weiter zum Obersten Gerichtshof. Dieser sah sich den Versicherungsvertrag im Revisionsverfahren 7Ob11/16t nochmals ganz genau an. Nach dem Inhalt der Versicherungspolizze sind zwar alle Wohngebäude versichert, aber es kommt auch auf den Vertragszweck an. Nachdem es sich um eine Versicherung für eine Landwirtschaft handelte, müssen die Objekte auch zu einer Landwirtschaft gehören."Zu einem Landwirtschaftsbetrieb gehören unter dem Gesichtspunkt des „Wohnens“ nur Gebäude, die den (dringenden) Wohnbedarf der Bauernfamilie und (allenfalls) weiterer landwirtschaftlicher Mitarbeiter abdecken. Diesem Zweck diente allerdings das abgebrannte Gebäude bereits zu Beginn des Versicherungsverhältnisses nicht mehr". Zwar werden von bäuerlichen Betrieben immer wieder Zimmer an Gäste vermietet. Dem wird üblicherweise durch Vereinbarungen Rechnung getragen, dass höchstens fünf Fremdenzimmer nicht gewerbsmäßig vermietet werden. Diese Grenze wurde aber durch 10 Fremdenzimmer und 22 Betten jedenfalls überschritten. "Die landwirtschaftliche Nutzung von zwei Räumen trat gegenüber der Verwendung als Feriengästehaus völlig in den Hintergrund" und war deshalb vernachlässigbar. Den Klägern sei dadurch weder der Gebäudeschaden, noch die Aufräumkosten und auch kein Wohnungsinventar zu ersetzen. Lediglich für das landwirtschaftliche Inventar (eine Melkmaschine, eine Milchzentrifuge, ein Butterkübel und eine „Schnapsbrennerei“) wurde den Klägern der Zeitwert in Höhe von 2.800 Euro zugesprochen. 

 © Wilfried Pecka