Muss die Haushaltversicherung für einen Motorradunfall zahlen?

Wilfried Pecka, 15.04.2017

Ein Motorradfan hatte ein Straßenmotorrad mit 180 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von 270 km/h behördlich angemeldet. Dieses Motorrad benützte er für Motorradveranstaltungen auf privaten Rennstrecken. Während einer solchen Fahrt versagten bei 150 km/h die Bremsen, und er fuhr auf ein anderes Motorrad auf. Der andere Lenker kam zu Sturz, er wurde verletzt und sein Motorrad beschädigt. Man einigte sich auf einen pauschalen Schadenersatzbetrag von 20.000 Euro, zusätzlich entstanden Vertretungs- und Sachverständigenkosten von 5.452,37 Euro. 

Damit wandte sich der Verursacher an seine Haushaltversicherung. Diese inkludierte eine Privat- und Sporthaftpflichtversicherung aus den Gefahren des täglichen Lebens und der nicht berufsmäßigen Sportausübung, ausgenommen die Jagd. Nicht versichert waren Schadenersatzverpflichtungen durch Haltung oder Verwendung von Kraftfahrzeugen, die ein behördliches Kennzeichen tragen müssen oder tatsächlich tragen. Die Haushaltversicherung lehnte ab. Der Motorradfahrer klagte, weil er der Meinung war, dass Motorradfahren genauso wie Schifahren oder Bergsteigen zur versicherten Gefahr des täglichen Lebens gehört. Das Gericht wies die Klage ab: Rennähnliche Fahrveranstaltungen, bei denen übermäßig hohe Geschwindigkeiten erzielt werden, zählen nicht mehr zu den Gefahren des täglichen Lebens. Das Berufungsgericht teilte diese Ansicht und bestätigte das abweisende Urteil.

Der Motorradfahrer legte außerordentliche Revision beim OGH ein, der sich im Verfahren 7 Ob 192/16k ausführlich mit den "Gefahren des täglichen Lebens" beschäftigte. Diese seien so auszulegen, dass der Versicherungsschutz die Gefahren erfasst, mit denen üblicherweise im Privatleben gerechnet werden kann. Es sind zwar nicht alle ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeiten damit abgedeckt, aber es genügt, wenn diese Gefahr - sei es auch seltener - im normalen Lebensverlauf immer wieder eintritt. Die Ausübung eines nicht berufsmäßigen Sports dient der Erholung und der körperlichen Ertüchtigung, und die nicht berufsmäßige Sportausübung ist in den Versicherungsschutz einbezogen. Da nur die Jagd ausgenommen ist, sind alle anderen Tätigkeiten vom Versicherungsschutz umfasst, die von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer als Sport betrachtet werden. "Das Motorradfahren ist in Österreich beliebt; demgemäß ist auch der Motorradrennsport eine gebräuchliche Sportart [...]. Dieser kann zulässigerweise auf abgeschlossenen Rennstrecken ausgeübt werden. Es ist daher davon auszugehen, dass für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer Trainingsfahrten mit üblichen Motorrädern auf einer abgeschlossenen Rennstrecke im Rahmen einer Motorsportveranstaltung zur Sportausübung und damit [...] zu den versicherten Gefahren des täglichen Lebens zählen"

Nun hatte die beklagte Versicherung aber auch vorgebracht, dass Pocket-Bikes ausdrücklich vom Versicherungsschutz ausgeschlossen seien. Umso eher müssten daher Motorräder ausgeschlossen sein. Dazu führte der OGH aus: "Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommene Gefahr einschränken oder ausschließen, dürfen Ausschlüsse aber nicht weiter ausgelegt werden als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zweckes und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhanges erfordert. Den Beweis für das Vorliegen eines Risikoausschlusses als Ausnahmetatbestand hat der Versicherer zu führen", und "Risikoausschlüsse sind – wie dargelegt – eng auszulegen. Die Verwendung von Pocket-Bikes gehört aufgrund des klaren Ausschlusses nicht zum versicherten Risiko. Aus diesem Risikoausschluss ist allerdings nichts für die Frage des Versicherungsschutzes bei Ausübung des Motorradrennsports zu gewinnen. Pocket-Bikes werden nicht ausschließlich zu Rennsportzwecken eingesetzt. Ein vom Wortlaut nicht gedeckter Risikoausschluss kann hier nicht durch eine – noch dazu nicht zwingende – Verallgemeinerung aus anderen Risikoausschlüssen abgeleitet werden"

Der OGH ging auch auf die Abgrenzung zur Kfz-Haftpflichtversicherung ein: Schäden durch Haltung von kennzeichenpflichtigen Kraftfahrzeugen oder solchen, die ein Kennzeichen tragen, sind allein von der Kfz-Haftpflichtversicherung gedeckt und sollen daher von der Haushaltversicherung ausgeschlossen sein. Dazu hatte der OGH bereits in einem früheren Urteil (7 Ob 51/03f) ausgesprochen, "dass die Haushaltsversicherung deckungspflichtig ist, wenn sich der Unfall im Rahmen einer kraftfahrsportlichen Veranstaltung im Sinn des § 1 Abs 2 lit c KFG ereignet, bei der die Straße für den übrigen Verkehr gesperrt ist, auch wenn das Fahrzeug im Ausgangsfall (Traktor) aufgrund seiner Bauartgeschwindigkeit grundsätzlich kennzeichenpflichtig wäre, aber kein solches trägt"

Der OGH hob daher die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und entschied zu Gunsten des Motorradfahrers: Die Haushaltversicherung muss für dessen Schadenersatzverpflichtungen aus dem Unfall auf der Rennstrecke aufkommen, weil es sich dabei um eine Sportausübung gehandelt hat, die den Gefahren des täglichen Lebens zuzurechnen ist.

 © Wilfried Pecka