Radfahrer auf der Busspur

Wilfried Pecka, 01.10.2017

Ein Radfahrer benützte erlaubterweise ("ausgenommen Radfahrer und Linienbusse") einen Busfahrstreifen. Daneben befand sich eine Fahrspur für den allgemeinen Verkehr, auf der Bodenmarkierungen angebracht waren, welche das Geradeausfahren und Rechtsabbiegen erlaubten. Die Verkehrsampel zeigte ursprünglich Rotlicht. Das dritte Fahrzeug in der Kolonne auf der allgemeinen Fahrspur hatte den Blinker zu Rechtsabbiegen gesetzt. Als die Ampel auf "grün" schaltete, setzte sich die Kolonne in Bewegung. Der blinkende Pkw bog rechts ab, der Radfahrer fuhr geradeaus, was ihm zum Verhängnis wurde: Er kollidierte mit dem rechtsabbiegenden Pkw, verletzte sich dabei, und auch sein Fahrrad wurde beschädigt. Der Radfahrer forderte Schadenersatz. Der Pkw-Lenker wandte unter Anderem ein, dass trotz des Grünlichts der Verkehrsampel eine für die Busspur geltende Signalanlage durch einen Querbalken ("gesperrtes Einfahrtssignal") zum Halten aufgefordert hatte. Der Radfahrer hätte daher die Kreuzung nicht überqueren dürfen, weil er sich an die Spurensignale zu halten hat, wenn er die Busspur benützt.

Das Erstgericht wies die Klage des Radfahrers zur Gänze ab. Die für die Busspur geltenden Richtzeichen hätten auch für Radfahrer gegolten, welche den Busfahrstreifen zulässigerweise benützten. Da der Radfahrer dieses Lichtzeichen (Aufleuchten der Querbalken) missachtet hatte, treffe ihn das alleinige Verschulden. Der Pkw-Lenker durfte darauf vertrauen, dass sich der Radfahrer an dieses Lichtzeichen hält.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, allerdings aus einem anderen Grund. Gemäß § 38 Abs 8 StVO können zur gesonderten Regelung des Verkehrs auf einzelnen Fahrstreifen oder für bestimmte Gruppen von Straßenbenützern (etwa Fußgänger, Radfahrer oder Fahrzeuge des Kraftfahrlinienverkehrs sowie Taxifahrzeuge) auch andere leicht erkennbare Lichtzeichen verwendet werden. Zwar dürfen gemäß Art 23 Abs 1 des für Österreich verbindlichen Übereinkommens über Straßenverkehrszeichen (BGBl Nr 92/1982 in der Fassung BGBl III Nr 80/1998) als Lichtzeichen zur Regelung des Fahrzeugverkehrs nur solche in grüner, roter und gelber Farbe mit jeweils bestimmter Bedeutung der Verwendungsart verwendet werden, außer jenen, die nur für öffentliche Verkehrsmittel bestimmt sind. Die Busspursignale galten daher für den Radfahrer nicht. Aber dem Radfahrer sei jedenfalls auch ein anderer Verstoß anzulasten: Gemäß § 38 Abs 4 StVO dürfen die Benützer der freigegebenen Fahrstreifen sowie Fußgänger und Radfahrer, welche die Fahrbahn im Sinne der für sie geltenden Regelungen überqueren, beim Einbiegen weder gefährdet noch behindert werden. Außerdem hätte sich der Radfahrer vor der Ampel in den Fahrstreifen für den allgemeinen Verkehr einordnen müssen. Radfahrer haben zwar das Recht, eine mit "Ausgenommen Radfahrer und Linienbusse" gekennzeichnete Busspur zu benützen. Sie sind aber nicht dazu verpflichtet. 

Dagegen legte der Radfahrer Revision beim Obersten Gerichtshof ein. Im wesentlichen brachte er dabei vor, dass die für ihn verbindlichen Lichtzeichen in roter, gelber und grüner Farbe ausgestaltet sein müssen. Beim Haltesignal für den Linienbus war das aber nicht der Fall. Der OGH ist in seiner Entscheidung (2 Ob 190/16d) der Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht gefolgt, "dass der Kläger die Busspur vor Einsetzen der Sperrlinie verlassen und die vom Erstbeklagten verwendete Fahrspur benutzen hätte müssen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die allgemeine Signalanlage (Ampel) für den berechtigt die Busspur benutzenden Kläger Geltung hatte." Der Radfahrer ist daher berechtigterweise geradeaus gefahren, und der Pkw-Lenker hätte ihn dabei nicht gefährden oder behindern dürfen. Der OGH hob daher die Entscheidungen der Vorinstanzen auf. Das alleinige Verschulden am Unfall trifft den Pkw-Lenker, und dem Radfahrer war sein durch den Unfall erlittener Sachschaden zu ersetzen und ein Schmerzengeld zu bezahlen.. 

 © Wilfried Pecka