Versicherung: Notwehr mit verbotener Waffe

Wilfried Pecka, 20.02.2015

Ein Minderjähriger wurde tätlich angegriffen. Um sich zu verteidigen, zog der Minderjährige ein Messer und verletzte damit den Angreifer. Im nachfolgenden Verfahren wurde die Verwendung des Messers als Notwehrüberschreitung beurteilt, und es lag fahrlässiges Handeln vor. Der verletzte Angreifer erhob Schadenersatzansprüche, und die Krankenkasse forderte den Ersatz der Behandlungskosten. An sich wären im Rahmen der Haushaltversicherung Schadenersatzforderungen gegen eine mitversicherte Person "als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens mit Ausnahme der Gefahr einer betrieblichen, beruflichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit, insbesondere [...] aus dem erlaubten Besitz von Hieb-, Stich- und Schusswaffen und aus deren Verwendung als Sportgerät und für Zwecke der Selbstverteidigung" mitversichert. Trotzdem lehnte die Haushaltversicherung des Vaters die Deckung ab: Beim verwendeten Messer handelte es sich um eine verbotene Waffe: Es war ein "Butterflymesser", welches unter § 1 Waffengesetz fällt. Jugendlichen ist der Besitz dieser Waffe verboten. 

Der Vater klagte die Versicherung, und er bekam in erster Instanz recht. Unter Anderem meinte das Gericht, dass eine Rauferei unter die mitversicherten "Gefahren des täglichen Lebens" falle, und ob der Sohn des Klägers eine verbotene Waffe mit sich geführt habe, sei ohne Bedeutung. Die Versicherung ging in Berufung, und das Berufungsgericht teilte die Ansicht des Erstgerichts nicht: Bei einem Personenschaden im Zuge einer Rauferei handle es nicht generell um eine Gefahr des täglichen Lebens, sondern es sei genauer auf die Notwehrsituation abzustellen. Außerdem sei nach den Versicherungsbedingungen der Versicherungsschutz aus dem Besitz einer Waffe an die Voraussetzung geknüpft, dass der Besitz dieser Waffe erlaubt sei. Daher sei noch zu klären, ob das zur Verteidigung verwendete Messer tatsächlich ein (für Jugendliche verbotenes) Butterflymesser war. Der danach angerufene Oberste Gerichtshof fasste unter 7 Ob 184/14f einen Beschluss, den er unter Anderem folgendermaßen begründete: "Nach Art 12.1.6. ABH erstreckt sich der Versicherungsschutz auf Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers als Privatperson aus dem erlaubten Besitz von Hieb-, Stich- und Schusswaffen und aus deren Verwendung als Sportgerät und für Zwecke der Selbstverteidigung. Der Versicherungsschutz aus der Verwendung einer der genannten Waffen ist jedoch, wie sich aus dem Wort „deren“ völlig klar ergibt, an die Voraussetzung geknüpft, dass der Besitz der Waffe durch den versicherten Verwender erlaubt ist". Jugendlichen fehle es noch an der nötigen Reife für den Umgang mit Waffen (weshalb sie auch gemäß WaffenG keine Waffen besitzen dürfen). Waffen seien ohnehin bereits gefährlich, in den Händen von Jugendlichen erhöhe sich diese Gefahr noch zusätzlich. Dieses Risiko verwirkliche sich genau dann, wenn Jugendliche unerlaubt eine Waffe bei sich haben und diese dann bei einem Raufhandel einsetzen. 

Der OGH ging auch auf den versicherungsrechtlichen Begriff "Gefahren des täglichen Lebens" ein: "Für das Vorliegen einer „Gefahr des täglichen Lebens“ ist nicht erforderlich, dass solche Gefahren nahezu täglich auftreten; vielmehr genügt es, wenn die Gefahr erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf immer wieder, sei es auch seltener, eintritt. Es darf sich nur nicht um eine geradezu ungewöhnliche Gefahr handeln, wobei Rechtswidrigkeit und Sorglosigkeit eines Verhaltens den daraus entspringenden Gefahren noch nicht die Qualifikation als solche des täglichen Lebens nimmt". Die erhöhte Gefahr durch das Mitführen einer verbotenen Waffe (um sie dann auch tatsächlich einzusetzen) gehöre jedoch nicht mehr zum täglichen Leben. Daher besteht in diesem Fall trotz des Vorliegens einer Notwehrsituation kein Versicherungsschutz.  

 © Wilfried Pecka